Wie eine mit Herzblut gestartete, kleine Initiative zu einem verlässlichen Partner für positive Veränderung wurde.
Die Geschichte der Organisation in Ecuador begann im August 2003: Seitdem hat sich V Social in Ecuador kontinuierlich für weiterbildende Maßnahmen für die lokale Bevölkerung zur Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort eingesetzt.
Ein Rückblick auf 20 Jahre V Social in Ecuador
Über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg hat die V Social Stiftung in Ecuador nachhaltige Wirkung erzielt, unter anderem mit einer finanziellen Unterstützung von 563.526 Euro. Von 2003 bis 2018 beeinflusste V Social positiv das Leben von 513 Kindern, indem sie wichtige Schulmaterialien, warme Mahlzeiten und liebevolle Weihnachtsgeschenke für Kinder bereitstellte. Die Unterstützung der Organisation erstreckte sich im Laufe der Jahre auf 19 gemeindebasierte Tourismusprojekte, um deren Wachstum und Entwicklung zu fördern. Heute arbeitet V Social mit vier gemeindebasierten Tourismusprojekten im Land zusammen und unterstützt direkt 228 Familien. Darüber hinaus leistete V Social einen Beitrag zum Umweltschutz, indem etwa 30.000 Bäume in Guajalito gepflanzt wurden. In Krisenzeiten zeigte sich die Organisation solidarisch, indem sie nach dem Erdbeben von 2016 in Canoa rasch Katastrophenhilfe leistete, kritische Erste Hilfe und emotionale Unterstützung für betroffene Familien bereitstellte und so nachhaltig Spuren im Land hinterließ.
Tom Jungh hat uns ununterbrochen auf dieser Reise begleitet. Er ist seit 20 Jahren für V Social aktiv und bringt heute seine Erfahrung und sein Wissen in beratender Funktion als Vizepräsident dem Verein weiter. Tom hat den Verein in Ecuador gegründet und kann nun, Jahrzehnte später, die Wirkung unserer Arbeit auf das Land sehen. Wir haben uns mit Tom zusammengesetzt, um über die verschiedenen Projekte, an denen er beteiligt war, und die Wirkung von V Social in Ecuador zu sprechen.
Tom, worin bestand deine erste Rolle bei V Social in Ecuador?
Anfangs bestand meine Rolle bei V Social darin, Projekte zu suchen und Kontakte mit den Menschen vor Ort herzustellen. Die Zusammenarbeit mit den Gemeinden begann mit dem Fokus auf Schulen und Kindern. Dabei kümmerten sich Praktikant:innen um Patenschaften aus Deutschland, während das Team des Reiseveranstalters Viventura Schulmaterial und Weihnachtsgeschenke für über 200 Kinder besorgte und verteilte. Ich war für die Koordination und den reibungslosen Ablauf des Projekts verantwortlich.
Wie entwickelte sich die Arbeit von V Social im Laufe der Jahre?
Die Bedürfnisse vor Ort waren vielfältig, und V Social musste sorgfältig auswählen, welche Gebiete und Projekte sie unterstützen würden. Die Wahl fiel auf Quilotoa, eine Region, in der es Armut gab, aber auch Potenzial für Tourismus. Der Fokus lag darauf, Kindern eine bessere Bildung zu ermöglichen, insbesondere den Mädchen, die ihren Brüdern nachgestellt waren und oft aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht zur Schule gehen konnten. Durch die Zusammenarbeit mit Viventura konnten wir mit Besuchen von Reisegruppen Einkommen für die Schulen und Kinder generieren, und über V Social weitere Hilfe für Schulmaterial und Schulspeisungen leisten, damit alle Kinder wenigstens eine Mahlzeit pro Tag bekamen.
Mit den Jahren entwickelte sich die Arbeit von V Social weiter. Wir investierten in Aufforstungsprojekte, pflanzten Bäume und schufen so nachhaltige Veränderungen in den örtlichen Gemeinden. Besonders stolz machte es mich zu sehen, dass nach einigen Jahren in Guajalito aus den 30.000 Setzlingen ein aufstrebender Wald geworden war, der das Mikroklima positiv beeinflusste. Auch die Schülerinnen und Schüler von Quilotoa, die erstmals die Oberschule abschlossen, machten mich und alle Beteiligten extrem stolz und zeigten den Erfolg der Initiativen.
Mit dem Ziel, die Abhängigkeit der Schulen von V Social aufzulösen und langanhaltende Wirkungen zu erzielen, unterstützt V Social seit 2017 keine Schulen mehr, sondern fördert die Entwicklung von Gemeindetourismus. Du hast den Prozess der Veränderung begleitet, wie war das?
In dieser Übergangszeit mussten wir in den Schulen klarstellen, dass wir die bisherige Unterstützung nicht mehr fortsetzen können. Das betraf sowohl die Schulspeisungen, um allen Kindern eine warme Mahlzeit zu ermöglichen, als auch die Bereitstellung von Schulmaterial, um die Belastung der Eltern zu erleichtern (30–40 Dollar pro Kind). Der Übergang war für alle Beteiligten herausfordernd, da sich die Schulen daran gewöhnt hatten, Unterstützung zu erhalten. Aus diesem Grund haben wir den Projekten zwei Jahre Zeit gegeben, andere Einnahmequellen zu suchen, bis wir die Hilfeleistungen endgültig gestoppt haben. In dieser Phase haben wir gleichzeitig nach gemeindebasierten Projekten gesucht, die wir in unsere Touren integrieren könnten.
Wie genau sah die Arbeit im Gemeindetourismus aus? Wie warst du involviert?
Nun bestand die Aufgabe darin, den Gemeinden zu helfen, vom Tourismus im Land zu profitieren. Wir begleiteten und unterstützen viele Gemeinden, die sich bereits zu diesem Zweck zu einer Organisation zusammengeschlossen hatten.
Die gemeinsame Entwicklung von Produkten, die die Gemeinden den Reisende anbieten können, wurde zu einer meiner Hauptaufgaben in diesem Prozess. Camilo stieß in dieser Zeit zum Team von V Social und begleitete mich bei dieser Aufgabe, da er bereits mehrere Jahre Erfahrung aus dem gemeindebasierten Tourismus mitbrachte. Gemeinsam mit den Gemeinden analysierten wir die vorhandenen Ressourcen und überlegten dann, welche Aspekte sich sinnvoll in Reiseangebote für internationale Gäste integrieren ließen.
In den Gemeinden am Fuße des Chimborazo-Vulkans, vertrat ich gegenüber den Gemeindemitgliedern beispielsweise die Ansicht, dass sie nicht zwingend Übernachtungsmöglichkeiten anbieten müssen. Hierfür waren sie zu diesem Zeitpunkt nicht vorbereitet und hatten nicht die notwendigen Ressourcen, das zu verändern.
Ich schlug vor, dass sie sich auf ihre Stärken fokussieren und basierend auf diesen Stärken ein interessantes Produkt entwickeln. So entstand schließlich das Frauenprojekt mit Alpakas. Dieses Projekt wurde inzwischen aktiv beworben und zeigt eine positive Wirkung sowohl auf die Rolle der Frau, als auch das Wohlergehen der gesamten Gemeinde. Ich war maßgeblich daran beteiligt, das Projekt voranzutreiben und erfolgreich abzuschließen.
Dank der Zusammenarbeit mit Viventura und anderen Organisationen konnten wir auch im Gemeindetourismus Besuche von Reisegruppen organisieren, die die Arbeit der Gemeinden belohnte und weitere, konkrete Verbesserungen in der Infrastruktur vor Ort vorantrieb und den Anwohner:innen zugutekam.
Gibt es einen Moment aus deiner Engagement-Zeit in Ecuador, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Am meisten erinnere ich mich daran, als wir mit den Kindern von Quilotoa ins Aufforstungsprojekt nach Guajalito fuhren. Dort haben wir gemeinsam mit den Kindern der 7. Klasse im Regenwald übernachtet. Die erste Gruppe, die dort war, war total begeistert. Sie haben im Fluss gespielt. Und dann haben sie begonnen, ihre Wäsche zu waschen. Zu der Zeit hatten sie in Quilotoa noch kein fließendes Wasser. Dort hatten sie nur eine kleine Wasserquelle, unter der ein Eimer tröpfchenweise mit viel Geduld gefüllt werden konnte. Zu sehen, dass das Erste, was 14-Jährige machen, wenn sie im wunderschönen Nebelwald ankommen, ist, Wäsche zu waschen, weil sie fließendes Wasser sehen, war ein bezeichnender Moment. Vielleicht fiel es den anderen gar nicht so auf, aber mir machte es sehr deutlich, was den Kindern fehlte.
Wie bewertest du die Wirkung von V Social’s Engagement für den Gemeindetourismus?
Im Gemeindetourismus war ich fünf Jahre dabei. Im Vergleich zu den 15 Jahren in den anderen Projekten, konnte ich hier die Auswirkung unserer Unterstützung noch nicht gänzlich sehen und bewerten. Was ich aber gemerkt habe ist, dass beispielsweise die Frauen am Chimborazo aus dem Häuschen und überaus glücklich waren, als sie für ein ganzes Jahr Blockierungsbestätigungen von Reiseveranstaltern für Reisegruppen bekommen haben. Sie haben einen Plan gemacht, haben ihren ganzen Raum renoviert und waren total motiviert, Zeit und Arbeit in ihre Projekte zu stecken. Es war toll zu sehen, dass die Arbeit dann belohnt wurde und Einkommen für die Gemeinden durch Reisegruppen geschaffen wurde. Es ist wichtig zu bedenken, dass es sich hierbei auch um Langzeitprojekte handelt. Nach 1 - 2 Jahren kann noch nicht gesagt werden, ob und wie ein Projekt läuft.
Seitens der Reisenden habe ich den Eindruck, dass die Gemeindebesuche einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. In den meisten Fällen erwarten die Menschen, dass sie bei diesen Besuchen auf Armut stoßen. Wenn wir dann gut entwickelte Gemeinden wie Yunguilla besuchen, sind die Reisenden überrascht, "wie gut sie es dort haben!"
Yunguilla ist ein tolles Beispiel um über die Evolution und möglichen positiven Effekte des Gemeindetourismus zu sprechen. Yunguilla ist ein Vorreiter im Gemeindetourismus in Ecuador. Dort gibt es mittlerweile schon eine 2. und 3. Generation unter den Bewohner:innen, die sich für die Entwicklung des Tourismus neben weiteren Einkommensquellen einsetzen. Das zeigt sich in der Reife und Qualität der Unterkünfte, des gastronomischen Angebots, den gut ausgebildeten lokalen Guides wie auch der Oganisationsleistung der Gemeinde. Hier begriffen die meisten Besucher:innen, wie Tourismus positive Veränderungen vorantreiben kann.